Dieses Blog durchsuchen

Donnerstag, 10. Juni 2010

Onlineroman: Caspar - David - Frederic Teil10

Caspar saß mit dem Rücken an die Wand gelehnt in dem niedrigen Raum und starrte ungläubig zu dem Fenster, durch das er gerade noch geklettert war. Eine brennende Wunde an seinem Arm pulste warm. Was war das für ein seltsamer Ort? Echt war er, soweit er es beurteilen konnte. In keinem seiner bisherigen Träume hatte er derart reale Schmerzen empfunden. "Das muss nichts heißen.", grübelte er ins Halbduster. "Vielleicht ist das eine nur neue Version von Traum. Mit Spezialeffekten!" Er erinnerte sich an seine Checkliste. Er hatte sie gemeinsam mit Frederic zusammengestellt, um nach außergwöhnlichen Trinkorgien für allgemeine Orientierung zu sorgen. Name: Caspar Trust, Alter: 31, ledig, freischaffender Künstler... soweit so frustrierend. Wohnhaft.. Hauptstr. 43.. Unterm Dach. Getrunken?... Nein! Ziemlich sicher nicht! Dann also mal wieder gefallen, gestolpert oder sowas in der Art. "Was hab ich zuletzt getan?", so schwer konnte das doch nicht sein! "Holzstamm! Ich habe einen Balken oder sowas gesucht!...Und vermutlich hab ich ihn gefunden!", Caspar rieb sich den Kopf. Er war erleichtert. Aber was sollte diese Episode mit dem Bergmann? Und warum zum Geier saß er nun in einem engen miefigen Raum in Gesellschaft einer altertümlichen Glühbirne? Als Elfjähriger war er mit seiner Schulklasse im Bergbaumuseum gewesen. Damals war er fasziniert von den schweren Maschinen und den geheimnisvollen Tunneln. Eine Weile lang hatte er sogar Quarze und Erzbrocken gesammelt, kein wirklich schwieriges Hobby, im Ruhrgebiet. Sein Onkel Hubi war lange Jahre unter Tage gewesen und hatte, wenn er denn mal zu Besuch kam, immer gleich körbeweise Gestein mitgebracht, sehr zum Leidwesen von Caspars Muter. Sein Onkel war ein ruhiger, gelassener Kerl gewesen, der viel rauchte und zum Schluss zu viel trank. Aber malochen konnte er wie ein Ackergaul. Caspars Schädel brummte und einen Moment lang glaubte er eine tiefe Melodie zu erkennen. Irgendein gemeiner Kerl hatte einen Männerchor in seinem Kopf eigesperrt und die extralange Version des Steigerliedes bestellt.
Und er hat sein helles Licht bei der Nacht... Und er hat sein helles Licht bei der Nacht.
Schon angezündt... Schon angezündt.
Sein Onkel hatte damals in seinem Schrebergarten mit Vorliebe die letzte Strophe gesungen. Und egal wie blau er zu diesem Zeitpunkt war und egal, ob er sich am heißen Grill festhalten mußte um nicht umzufallen, er hatte sie im Stehen gesungen!
Die Bergmann`s Leut`seins kreuzbrave Leut
Die Bergmann`s Leut`seins kreuzbrave Leut
denn sie tragen das Leder vor dem Arsch bei der Nacht
denn sie tragen das Leder vor dem Arsch bei der Nacht
und saufen Schnaps
und saufen Schnaps
Was sollte das eigntlich bedeuten mit dem Leder vor dem Arsch? Diese Erklärung war ihm sein Onkel schuldig geblieben. "Dat find`ma selber raus...", hatte er nur grinsend gemeint.
Eigentlich war es gar nicht schlecht hier. Es war deutlich kühler als unterm Dach und abgesehen von seinem inneren Bergwerkssender... ja.. es herrschte eine perfekte Ruhe! Ob das hier ein Bunker war? Dann hätten ihn hier nicht einmal Bomben etwas anhaben können. Eine Höhle! Ein Nest! Ein Versteck! Gemacht um darin zu denken! Sein Versteck!
"Ich denke mit zu vielen Ausrufezeichen!", dachte Caspar. "Und ich sollte diese Wunde auswaschen..." Eine latente Übelkeit kroch durch seine Eingeweide.
Er stieg in geduckter Haltung durch die Maueröffnung, tastete sich die Treppe hinunter und taumelte durch den Gang. Wo war denn nur dieser verdammte Spalt? Er ging in die Knie und tastete umher. Ziegel lagen vor ihm auf dem Boden und er spürte einen leichten Luftzug. Dann spürte er kühles Metall an seinen Fingerspitzen... "Der verdammte Herd!" Er krabbelte durch die Wand und sah das Glimmen der Taschenlampe, blaue Kornblumen standen in ihrem armseligen Schein. Es hatte beinahe den Anschein, als hätte jemand das Bild mit Absicht an den Haufen gelehnt und die Lampe darauf gerichtet. "Ja, ok.. Ich schätze ich habe verstanden.", dachte Caspar und griff nach dem Gemälde. Deutlich vorsichtiger als zuvor überkletterte er nun den Möbelhaufen und humpelte durch den Keller zur Treppe.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen