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Mittwoch, 2. Juni 2010

Onlineroman: Caspar - David - Frederic Teil3

Am frühen Abend kehrte Dave von einem Arbeitsgespräch zurück. Er war selbständiger Steuerberater und Finanzbuchhalter, was ihn relativ flexibel in seiner Tagesplanung machte. Dave versuchte diese unbequeme Freiheit durch einen geregelten Ablauf seiner Tätigkeiten zu kompensieren. Zu diesem Zweck hatte er sich einen dicken, in Leder gebundenen Kalender besorgt, ein Tag - eine Seite. In Kombination mit seiner Lieblingsarmbanduhr war dieses Monstrum der Retter seines Arbeitstages. Es war jetzt kurz nach sechs und Dave schlug noch einmal seinen Planer auf: !8.30Uhr - Freizeit. Wie ungünstig! Es gab kaum sinnvolle Aktivitäten, die ein Zeitpensum von unter 30 Minunten beanspruchten. Er klappte den Planer zu, stieg aus dem Auto und schloss die Tür auf. Die Post! Das würde in etwa passen. Erleichtert hob er den Stapel auf und stieg nach oben.
Dave nahm am Schreibtisch Platz und sortierte die Briefe und Prospekte, zunächst nach Empfänger im Haus, dann nach Dringlichkeit. Bisher hatte niemand es ausdrücklich erwähnt, aber Dave war sicher, dass die anderen ihm dafür dankbar waren.
David Alexander Cohen war stolz auf seine Vornamen, hielt damit aber hinterm Berg. Für seine Freunde war er schlicht "Der Dave". Wenn sie doch wenigstens den Artikel weglassen würden! Aber, wenn er irgendwo erschien hieß es immer: "Das ist DER Dave!"
Der biblische David hatte seinerzeit diesen Türsteher von einem Phillister, Goliath, mit einer Steinschleuder ins Jehnseits befördert und sich anschließend zum König eines Hirtenvolks aufgeschwungen. Er war Kriegsherr, Lyriker, Liebhaber und noch Jahrhunderte nach seinem Tod galt er als strahlendes Vorbilld. Wann immer die Leute beim Pokern einen Pik-König auf der Hand hatten, hielten sie sein Abbild in Händen. Auch Alexander der Große hatte seine Entsprechung im Kartenspiel, als Kreuzkönig. Bereits mit zwanzig war er König und ein paar Jahre später war sein Reich bis nach Indien gewachsen. David Alexander Cohen war mit 23 zum ersten Mal im Phantasialand gewesen und wäre dort beinahe mit der Achterbahn gefahren, wenn es nicht geregnet hätte.
Es klapperte und Caspar stand im Türrahmen. "Hey Dave... Hast du Zeit?" David stand auf und reichte ihm seinen Poststapel, "Was gibt`s denn?" Caspar stopfte einige Umschläge in die Gesäßtasche seiner Jeans, stellte fest, dass diese wohl kaum aureichen würde und verteilte den Rest auf die seitlichen Taschen. "Ich müßte nochmal zur Galerie, ein paar Bilder vorbeibringen. Wär geil, wenn du mich fahren könntest."
Dave griff bereits zum Autoschlüssel. Er hatte Zeit. Und die Galerie hatte er noch nicht gesehen. Warum also nicht? "Na dann, fahren wir mal los, was?", sagte er trocken.
"Du bist echt der Coolste, Dave!" Der Hauch eines Grinsens wehte über Davids Mimik. "Ich bin so meilenweit davon entfernt cool zu sein, dass ich auf der anderen Seite schon wieder ankomme!", dachte er. Sie beluden den alten Fiat Panda bis zur Dachkante und fuhren los. Caspar kramte im Handschuhfach, Dave schmunzelte, "Ok.. sag an!"
"An der Ampel rechts, denk ich.", antwortete Caspar.
"Und?", fragte Dave.
"Nina Simone?", Caspar klopfte rhytmisch mit der versiften Kasettte auf das Armaturenbrett.
"Geil! Schmeiss rein!"

Echte Frauen traf man nicht in der Disko. An solchen Orten traf man nur auf Glühwürmchen: Hübsch anzuschauen im Dunkeln, aber bei Tageslicht betrachtet - da verstand man plötzlich, warum die Biester Glühwürmchen und nicht etwa Glüh-Schmetterling hießen. Klar, es gab immer auch einige Nachtfalter. Aber Frederic wollte nicht länger die Lampe sein, um die solche Frauen kreisten, um sich die Flügel zu verbrennen. Es war unfair und unwürdig. Es war eine Erniedrigung für beide Seiten. Und es war langsam langweilig. Bienen flogen bei Tag, waren fleißig und produzierten leckeren Honig. Man fand sie in Bibliotheken und Hörsälen. Sie waren liebenswert, hübsch anzuschauen und man konnte mit ihnen die difizilsten Konversationen führen, wenn man das wollte. Und dann gab es noch die Schmetterlinge. Betäubend schöne Wesen mit verklärtem Blick und duftendem Haar. Um einen Schmetterling zu fangen mußte man sich schonmal eine komplette Balletaufführung ansehen. Man schaute seinem Schmetterling bein Tanzen zu und wenn man sich seine Melodie gemerkt hatte und sie abends bei einem Glas Wein nachpfeiffen konnte, brachte einem der Schmetterling vielleicht das Fliegen bei.
"Hey... ich hab zwei davon!", meldete sich eine belustigte Stimme unter ihm. Ihm ging auf, dass er, während er seine Insektentheorie vervollkommnete, an einer herrlichen Brustwarze nuckelte. "In der Tat!", gab Frederic überrascht zurück. "Und die ist mindestens genauso sehenswert! Hmm.. schwer zu entscheiden. Die sind beide toll!". Sie kicherte. Fredric trat die Reise zum Südpol an, machte kurz kehrt und schob ihr mit seiner Nase eine blonde Haartsträhne hinters Ohr. "Schneckchen..."
"Step by Step, heart to heart, bit by bit... we all fall down.. like Toy Soldiers**", klang es aus den hochwertigen Boxen in angenehmer Kuschelrocklauttstärke (natürlich von CD!) und nur Frederic konnte ahnen wie wahr diese Lyrics waren.

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