Die süße Simone hatte den Altbau lächelnd in einer nach Vanille duftenden Deowolke verlassen. Frederic stand mit freiem Oberkörper am offenen Fenster, sog genüßlich an seiner Zigarette und schaute über die Hochofenkulisse vor ihm. Das waren nicht gerade die Blumenfelder seiner Kindheit. Auch die Dünen und das Meer vermißte er manchmal. Aber er hatte gelernt auch hier Blumen zu finden. Fußball spielen konnten die Deutschen. Und sie kannten sich mit Bier aus. Frederics Gedanken drifteten eine Weile lang ziellos umher. Dann ging er rüber zur Anlage, und verbrachte behutsam die Kuschelrock-CD in ihre Hülle.Noch rauchend ging er den kleinen Stapel seiner Lielingsalben durch und entschied sich für das weiße Zimmer: The white Room - KLF. Frederic drehte die Bässe auf und pegelte die Lautstärke auf das Niveau einer startenden Boing. Dann hockte er sich an seinen Schreibtisch und fuhr den Rechner hoch, einen nagelneuen 386er mit dem frisch auf dem Markt erschienenen Windows 3.11. Wo war denn der verdammte Notizblock? Er stand auf und dürchwühlte den kleinen Kleiderhaufen neben seinem Bett. Ach.. klar! Schwarzes Hemd Brusttasche! Er war heute auf einem halben dutzend Sportveranstaltungen gewesen und von der letzten, Damentennis, hatte er sich Simone mitgenommen und sie über ihren enttäuschenden siebten Turnierplatz getröstet. Gelangweilt tippte er die Ergebnisse der Fussball-Regional-Liga in eine Datei, verfasste einen kurzen Artikel über das Volleyballturnier der Hochschulen NRWs, speicherte den Schmonz auf einer blauen 5.25Zoll-Diskette und erklärte kurz darauf seinen Arbeitstag für beendet. 21.14 Uhr. Gute Uhrzeit für ein Bierchen. Aus strategischen Gründen hatte er niemals selbst Bier im Kühlschrank, dafür zwei Sorten Sekt und Vodka. Seit Ewigkeiten sparte er auf eine repräsentative Hausbar, jetzt war ihm der Computer dazwischen gekommmen. Frederic tapste Barfuss die Treppe hinunter. "So viel Heimlichkeit... In der Weihnachtszeit.. ", trällerte Oma Cohen leise vor sich hin. Sie hatte ein kleines Päckchen von der Kommode im Flur geholt und schickte sich an wieder in ihre Wohnung zu trotten. Frederic lachte fröhlich. "Mrs. Cohen.. Was versetzt sie denn bei dieser Hitze in Weihnachtsstimmung?"
"Plätzchen mein Junge. Irgendwas roch hier vorhin herrlich nach Vanille-Plätzchen.", sie betrachtete seinen schmalen Brustkorb und schauderte. "Davon könntest du auch noch einige gebrauchen!", sagte sie bestimmt. Frederic lachte. "Ich werd`s erstmal mit Flüssigbrot probieren."
Sie zögerte kurz. "Du kennst den kleinen Prinz? Von Antoinne de St. Exupery?" Sie kramte in der Kommodenschublade nach einem Kugelschreiber und malte dann etwas auf ein Stück Zeitung. "Was ist das?", fragte sie.
"Ein Hut... und zwar ein alter!", grinste Frederic. "Das ist eine Schlange, die einen Elefanten gefressen hat!"
"Nein!", antwortete Oma Cohen trocken und drehte die Zeichnung senkrecht. "Das bist du, wenn du so weitertrinkst!"
Frederic betrachtete den Strich in der Lanschaft mit der eindrucksvollen Beule und lachte.
"Sie haben volkommen Recht Mrs Cohen. Und gleich morgen hör ich damit auf!"
Oma Cohen gab ihm einen Klaps auf den Hinterkopf, wofür sie sich strecken mußte und verschwand wieder hinter dem schmalen Vorhang. Frederic van der Molen tapste grinsend seinem Bier entgegen.
"ARGHHH!", intonierte Caspar erschrocken. "ARGH!", gab Dave mit weit aufgerissenen Augen zurück. "Bin ich gerade über...?"
"Ja Mann!!", Caspar zog die Krallen aus dem Sitzbezug, "Dunkelrot Mann!!"
"Hoppla!", meinte Dave.
"Hoppla?!?", Caspars Bild von Dave drohte zu zerbröseln. Zumindest der Teil, der Dave als nahezu krankhaft verantwortungsbewußten Autofahrer zeigte.
"Ich war wohl etwas in Gedanken..", entschuldigte sich David.
"Hmm!", brummte Caspar. "Passiert!"
Den Rest der Fahrt schwiegen die beiden. Caspar dachte an die vor ihm liegende unsinnige Schaffensperiode, an ebenso sinnfreie Schleppaktionen und an einen großen Grillteller vom Türken gegenüber. Dave dachte an Mae.
Oma Cohen hatte das Päckchen vorsichtig geöffnet und das Stopfmaterial entfernt. Sie hielt nun eine wirklich hübsche Taschenuhr in Händen. Ein verschnörkelter Schriftzug nannte die Firma J. Mayfield als Hersteller und anhand der Gravuren und des Glases erkannte Oma Cohen, dass die Uhr wohl um die Jahrhundertwende gefertigt wurde. Mayfield, Oma Cohen erinnerte sich wage, dass diese Firma in Irland saß. Das Päckchen kam aus Frankreich und der Absender war ein Jaques Poirrier. "Ach so?", staunte Oma Cohen. Sie zog behutsam das Uhrwerk auf und lauschte dem gleichmäßigen angenehmen Ticken. SO eine Uhr hatte sie lange nicht mehr bekommen. Sie klappte den Deckel auf und schaute auf ein kleines Portrait. "Ach so!", bestätigte Oma Cohen ihren Verdacht und lächelte. Es war wirklich schon eine Weile her, seit sie eine solche Uhr in den Händen gehalten hatte. Beinahe fünf Jahre, wenn sie sich richtig erinnerte.
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