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Montag, 7. Juni 2010

Onlineroman: Caspar - David - Frederic Teil8

"Ich muss mich bei Ihnen bedanken.", eine große fleischige Hand eilte David entgegen. "Sie haben uns da wirklich einen schönen Batzen eingespart!" Aus dem Anzug hätte es eigentlich dampfen müssen bei dieser Gesichtsfarbe. "Warum nicht gleich ein wenig davon investieren? Haben Sie Hunger?"
David war tatsächlich hungrig und ein Angebot zum Essen lehnte man nicht einfach ab. Vor allem nicht, wenn ein weiterer Auftag in Aussicht stand. Er nickte und tupfte sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn. "Ja, warum nicht. Vielen Dank."
Der Anzug hob erfreut die buschigen Augenbrauen. "Na also! Ich kenn da genau den richtigen Ort bei so einer Scheißhitze!"
Sie fuhren im vollklimatisiertem Benz zu einem Biergarten nahe der Innenstadt. Ab und zu wurde der Smalltalk durch äußerst wichtige Gespräche unterbrochen, die der Anzug fröhlich brüllend über das Autotelefon führte. David war dafür recht dankbar. Smalltalk gehörte nicht gerade zu seinen Stärken. Seit einiger Zeit nannte man solche Fähigkeiten Soft Skills. Das mochte für manche Leute recht kuschelig klingen. Für Dave hingegen bedeutete jede nicht zielgerichtete Komunikation eine Art Seiltanz ohne Netz, dafür aber mit einem ziemlich harten Boden. David hatte sein Jacket schon vor Stunden ordentlich zusamengelegt und in seinem Koffer untergebracht. Trotzdem traf ihn die Hitze beim Aussteigen wie ein Hammer. Auch der Anzug ächzte und puhlte sich das Jacket vom Leib.
"Tach zusammen", johlte er einer Gruppe von Buisinessleuten zu, die bereits unter einem Sonnenschirm am Biertisch saßen. "Rüdiger Walldorf - Produktion, Severin Ennert - Verwaltung und Lars Bündelholz - Marketingfuzzi...", stellte der Anzug die Runde vor. Der Marketingfuzzi lachte fröhlich bei dem Wort Marketingfuzzi und Severin, die nach Frederics Maßstäben möglicherweise über ..pse verfügte, lachte mit. "Und hier haben wir Dave Cohen. Freier Berater in der Buchhaltung. Hat uns dieses Jahr 120.000DM eingespart." Kurzes Tischklopfen folgte, "Net schlecht.", ließ sich der Fuzzi vernehmen. Dave setzte sich schwitzend ans Ende der Bank und nickte in die Runde. Der Produktionschef schien schmunzelnd in eine Lektüre vertieft zu sein und kicherte gelegentlich. "Cohen, das klingt amerikanisch?", fragte Severin und zog fadenförmige Augenbrauen über die straff gespannte Stirn. "Englisch...", antwortete Dave dürftig. "Genau genommen jüdisch."
"Ach was?", bellte der Anzug, der nur halb zugehört hatte. "Sie sind jüdisch?"
"Ähm nein... Nur der Name. Vermutlich...".
"Ach so! Ja das kann ja jedem Mal passieren, was?! Wißt ihr wieviele Juden man in meinen Benz bekommt?", unterbrach ihn der Anzug.
"...waren es ein paar meiner Vorfahren.", beendetete David seinen Satz leise.
Severin sah beschämt zu ihm hinüber. Bündelholz hustete und der Anzug war bei 35° im Schatten plötzlich gefroren.
"Zwei vorne, drei hinten und zweihundert im Aschenbecher!", murmelte Walldorf, der die eigentliche Pointe verpaßt hatte. Er blätterte in seinem Buch. "Übrigens... Wißt ihr, wieviele Personen tatsächlich in einen Ford Escort passen?"
Severin vollführte eine Reihe höchst subtiler Gesten in Richtung Walldorf, der Anzug taumelte noch etwas angeschlagen.
"Nein...", meinte David ruhig. "Wieviele?"
"Zwanzig!", rief Walldorf begeistert. "Das muss man sich mal vorstellen! Die Kiste ist winzig!"
"Was lesen Sie da eigentlich Walldorf.", der Anzug hatte seine Fasung wieder gefunden.
"Guinnesbuch.", gab Walldorf kurz zurück. "Wahnsinn zu was Menschen imstande sind!"
"In der Tat.", sagte Dave trocken. Vielleicht war er besser in Smalltalk als er dachte.

"Bewech dich du Faulpelz!", raunte die Stimme. "Bis Mittach gepennt und dann hier rumliegen! Dat hamma gerne!" Caspar spürte den kühlen Boden an seiner Wange, eigentlich recht angenehm, wenn man von dem Hämmern in seinem Schädel absah. Seine Hand tastete durch den Schmutz und schien deutlich motivierter zu sein als der Rest seines Körpers. Irgendetwas Großes lag auf ihm. Dem Gefühl nach handelte es sich um einen alten Elektroherd. "Wird dat heute noch ma wat? Ma` elllich, du wills doch wohl nich hier krepiern, oder?" Eine recht ausgewogene Mischung verschiedenster Schmerzen erreichte sein Bewußtsein, wurde von der Vorzimmerdame anstandslos durchgewunken und prügelte nun auf seinen inneren Schweinehund ein. Das arme Tier jaulte herzzerreißend. Caspar stemmte sich mühsam auf den rechten Arm, drückte die Last über ihm zur Seite. Metall polterte gegen Stein und Holz. Mörtel rieselte von der Wand und in Caspars Augen. "Dat wär`n guter Moment deine Brille zu suchen...", schlug der verschwommenene Grubenarbeiter vor. "Ja!...", hustete Caspar. "Danke!" Er tastete über den Boden und fand schließlich das klobige Horngestell. "Feddich? Dann ma mir nach!" Caspar bekam zur Zeit mindestens drei Sender gleichzeitig rein und nur zwei davon spielten Musik. Der dritte fuhr ein ziemlich merkwürdiges Kumpel-Programm, vermutlich eine Art Zechensender oder sowas... um die Leute unter Tage bei Laune zu halten. Er krabbelte auf allen Vieren der Grubenlampe nach, zwängte sich durch ein Loch in der Wand und war nun in einem dunklen Gang. Caspar streckte probehalber den Arm nach oben, ertastete nichts als leere Luft und richtete sich ein Stück auf. Er wiederholte die Prozedur mehrfach und stand schließlich in gebückter Haltung in der Finsternis. "Evolution im Stollen!", dachte er amüsiert. Das Hämmern im Kopf klang langsam ab und wurde von einem recht durchgehendem Brummen abgelöst. Zudem wurde nun ein allgemeiner erster Schadensbericht an das Großhirn gefaxt. Er beinhaltete diverse Schürfwunden und wohl auch die eine oder andere Prellung. Sein linker Arm beantragte formell eine Woche Urlaub und auch in der Verwaltung schien der eine oder andere Becher zu Bruch gegangen zu sein. "Nochma Schwein gehabt, wa?", meinte sein Bergwerksführer vor ihm und verwandelte sich kurz darauf in eine finstere Silhouette an der Wand. Aus der Mitte der Stelle, an der eben noch der Helm gewesen war leuchtete ein schwaches Licht. "Die Taschenlampe!", ging es Caspar durch den Kopf. Er tappte weiter den Gang entlang, schluckte Staub und Spinnweben. Sein Fuss stieß an eine Stufe und er stieg vorsichtig nach oben. Alte Bretter knarrten unter ihm. Die kurze Treppe endete aprubt an einer Wand. Ein etwa fenstergroßer Durchbruch führte direkt in einen kleinen Raum, der mit einem alten rotem Teppich ausgelegt war. An der niedrigen Decke brannte die wohl einsamste und staubigste Glühbirne der Welt.

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